MAUSETOT

Veröffentlicht am 15. Juni 2024 um 04:04

Mausetot - Ein Kommentar

 

Dortmund: Der erste größere Bericht in diesem Blog beschäftigt sich mit dem Thema Tierschutz auf kommentierende Weise. Tiere sind Mitgeschöpfe. Dass man einem Mitgeschöpf keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, sollte selbstverständlich sein. Die Rechte von Tieren sind durch den Staat leider noch nicht ausreichend geschützt. Wir wissen alle, dass in Deutschland immer noch Tiere in Versuchslaboren getötet werden. Zur Entwicklung von Medikamenten und zur Erforschung von Krankheiten werden Tierversuche in großer Anzahl genehmigt. Befürworter von Tierversuchen sagen, dass es ohne nicht geht. Die Gegner von Tierversuchen legen uns die ethische Problematik klar vor Augen. Für einen Großteil der zu medizinischen Zwecken vorgenommen Tierversuche bedeutet das für das Lebewesen schlimmstes Leid. Oftmals ist der Tod nur noch eine Erlösung von einem qualvollen Leben. 

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich zu den Menschen gehöre, die Tierversuche ablehnen.

 

Man sollte also meinen, dass gerade jene Behörden, die für den Tierschutz und für die Genehmigung von Tierversuchen zuständig sind, dass es also diese Stellen ganz besonders genau mit der Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf nehmen. Darauf vertrauen wir als Bürger. Die gesetzliche Grundlage dafür ist das Tierschutzgesetz. Tierversuche sind grundsätzlich genehmigungspflichtig, heißt es beispielsweise auf der Internetseite des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen. Die als LANUV genannte Behörde trägt ein sehr maritim klingendes Akronym. Der für mich nach Meereswoge anmutende Name darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei um ein profanes nordrheinwestfälisches Landesamt handelt. Einem Amt, dem die Bürger auch drängende Fragen vorlegen können. Insbesondere dann, wenn es um das Gebiet des Tierschutzes geht. Eigentlich bin ich ganz gut darin es mir in der eigenen Komfortzone bequem zu machen. Dabei ist es manchmal angebracht hinzuschauen und zu gucken, was sich vor der Haustür abspielt.

 

Auch in meiner Heimatstadt Dortmund, der zweitgrößten Stadt in Nordrhein-Westfalen, gibt es immer noch (mindestens) ein Tierversuchslabor. Das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund hat sich für sein IfADo Tierlabor ein behördliches Placet erteilen lassen. Für diese Genehmigung ist eben jenes nach Meereswoge klingende LANUV zuständig. Das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) forscht zu verschiedenen Themenbereichen. Auf Nachfrage teilte das IfADo mit, das man mit Mäusen arbeite, was wohl nichts anderes als ein Euphemismus für den Tierversuch an sich ist. Die Zahl der Mäuse läge bei 1640 im Jahr 2022 und 2263 im Kalenderjahr 2023. Eben diese Informationen seien auch über die Webseite des Betreibers verfügbar, so erklärt man mir. Ich rechne nach. Das nackte Nachzählen macht eine Steigerung von 623 Tieren deutlich. Auf kritische Fragen hatte der Betreiber im Übrigen lange Zeit gar nicht reagiert. Erst nach zähem Ringen kam es überhaupt zu einer Stellungnahme, die aber im Wesentlichen ein Versuch der Rechtfertigung des Handelns beinhaltete. Die vorliegenden Stellungnahmen geben im Prinzip keinen Aufschluss darüber, wie es den Versuchstieren ergeht. Im Endeffekt war ich danach genauso schlau wie vorher. Wenn sich überhaupt irgendetwas aus den Statements gezeigt hat, dann die Lehre, das einige Leute sehr gut darin sind, um den heißen Brei zu tänzeln. Wer glaubt, dass man auf diese Weise wirklich Erhellendes erfährt, der wird schnell enttäuscht sein. Dass das Labor vetrenärbehördlichen Kontrollen unterliegt, darauf verweist der Betreiber natürlich. Nun, das lässt mich allerdings nicht darüber hinwegsehen, dass ich keine Labormaus sein möchte. Sie etwa?

 

Einen Antrag auf amtliche Begehung des Tierlabors habe ich geschrieben. Eingereicht wurde dieser beim nordrhein-westfälischen Landesministerium (MKW) und beim LANUV. Das LANUV will die Ordnungsbehörde auf meinen Wunsch hin informiert haben. An dieser Stelle könnte der Artikel jetzt enden.

 

Nun, wenn man schon mal mit einer so wichtigen Stelle wie dem Landesamt Kontakt hat, kann man auch gleich genauer nachfragen. Zum Beispiel, ob dort Kenntnisse über den Verbleib all jener Tiere vorliegen, die die Versuche lebend überstanden haben. Kurzum: Hat irgendeines der Tiere überhaupt eine Chance auf Leben oder sind alle mausetot? Die Genehmigungsbehörde weiß über den Verbleib der Tiere allerdings nichts. Die Antwort durch das Landesamt ist ernüchternd: "dass dem LANUV - als genehmigende Behörde - derzeit keine weiteren Informationen über den Verbleib all jener Tiere vorliegt, die die Tierversuche bislang überlebt haben" ist korrekt, da durch das  "derzeit" zum Ausdruck kommt, dass wir uns jederzeit über die zuständige Kreisordnungsbehörde die Informationen beschaffen könnten, sollten wir dies für erforderlich halten." Was soll das heißen? Die für das Genehmigungsverfahren zuständige Behörde hat sich diese Informationen nie beschafft? Eigentlich kann man da nur noch traurig mit dem Kopf schütteln. Wieso, fragt man sich da, hat das LANUV diese wichtige Information nicht grundsätzlich und per se vorliegen? Schließlich handelt es sich um die maßgeblich für die Erlaubnis von Tierversuchen in NRW zuständige Stelle.

Das Landesamt vertritt offenbar die Auffassung, dass das Wissen um den Verbleib der Tiere nach Abschluss des Versuchsvorhabens nicht in die Zuständigkeit des LANUV gehöre. Man sollte denken, wer über die Erlaubnis von Tierversuchen entscheidet, der kann sich letztlich keine Unkenntnis leisten. Das sieht das LANUV anders. Die Zuständigkeit für die Kontrolle der Durchführung der genehmigten Tierversuche sieht das LANUV nämlich bei den Kreisordnungsbehörden. Interessant. Man sitzt da und wartet hörig brav den Zuruf der Ordnungsbehörde ab. Im drastischen Fall bedeutet das dann wohl "Wenn's kracht, noch n Meter".

 

Genau genommen muss der Gesetzgeber sowieso das ganze Tierschutzgesetz verschärfen. Die Rechte der Tiere werden durch die vorhandenen Gesetze nicht gut genug geschützt. Da liegt schon die Crux. Dass sich das bald ändert, dafür setze ich mich ein. Ich habe erlebt, dass es viele Menschen gibt, denen dieses Thema genau wie mir am Herzen liegt. Damit es endlich zu einer Verschärfung des Gesetzes kommt, bedarf es noch mehr Unterstützer.

Legislativive, Judikative und Exekutive müssen sich prüfen lassen. Überall dort wo es um Lebewesen geht, da gilt ein hoher Maßstab. Sich allein darauf zu verlassen, dass die entsprechenden Alarmketten im Notfall funktionieren, das ist aus meiner Sicht blauäugig.
Zum Schutz der Tiere ist schon heute die Etablierung verschiedener Frühwarnsysteme geboten. Gegenwärtig darf man Zweifel hegen, ob die behördlichen Maßnahmen zum Schutz der Tiere wirklich entsprechend greifen.

Vorläufig tröste ich mich damit, das mein Anliegen zumindest an die Ordnungsbehörde weitergeleitet wurde. Allerdings weiß ich nicht, was draus wird.
Jede der einzelnen Stellen scheint ein bisschen was zu wissen. Wo liegt aber das ganze Bild? Einen besonders regen Austausch zwischen den einzelnen Stellen gibt es bisher offenbar nicht. Wie es der Maus im Labor geht, das weiß wohl nur die Maus allein. Traurig.

Wenn es hart auf hart kommt, dann wird sich in einem Geflecht aus Ministerium, Landesamt, Veterinärbehörde & Co. schnell für jeden die passende Ausrede finden. Ganz nach dem Leitspruch: Das konnten wir nicht wissen, dafür waren wir nicht zuständig, das hätte uns die andere Behörde ja mal sagen können. 

Ich bin nicht naiv zu glauben, dass hierzulande alles bei nur einer Stelle liegt. Aber: Umso mehr Beteiligte, desto bedeutsamer ist der intensive Austausch untereinander.

 

Als wenn das alles nicht schon reichen würde, gab es einen bitteren Nachschlag noch oben drauf. Zuletzt verweigerte das Landesamt auch noch die geforderte Akteneinsicht. Ein Akteneinsichtsrecht würde nur Verfahrensbeteiligten gewährt werden können. Warum sollte der gemeine Bürger auch Akteneinsicht erhalten? Ich halte so ein intransparentes Verhalten für katastrophal. Ein derartiger Umgang sorgt letztlich für einen immensen Vertrauensschaden.

 

Das Fazit

Das schon vorhandene mulmige Gefühl ist bei mir noch stärker geworden. Momentan bleiben mehr Fragen als Antworten. Der Bereich Tierversuche berührt ein breites öffentliches Interesse. Hier geht es nicht um irgendwelche Individualinteressen. Natürlich geht es bei Tierversuchen immer um den Bereich von Interessen der Allgemeinheit. Wenn sich eine zuständige Behörde der Forderung seiner Bürger nach Akteneinsicht verweigert, dann ist das ein Problem. Vielleicht nimmt sich das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) dieser Angelegenheit an. Ja, vielleicht hat dort jemand den größten Hut auf. Und sicherlich gibt es sowohl im MKW als auch im LANUV Menschen, die die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf mit Leben erfüllen. Die Hoffnung darauf darf man haben.

Klar ist auch, dass auf politischer Ebene endlich gehandelt werden muss. Eine Novelle des Tierschutzgesetzes zur Verbesserung der Tierrechte ist längst überfällig. Grausame Versuchsverfahren darf es nicht länger geben. Die Politik ist aufgefordert, ein Gesetz zu schaffen, das es den Betreibern von Laboren unmöglich macht Tierversuche durchzuführen.

Wenn ich zum Schluss noch etwas hoffen darf, dann wäre es, dass es nicht das typische Hin- und Hergeschiebe der Verantwortlichkeit zwischen Bund und Ländern gibt. Wie gesagt, man wird ja wohl noch hoffen dürfen. (von Ted Bauknecht)

 

Nachtrag vom 02.12.2024: Es liegen hier Auskünfte des Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) vor. Wer nun glaubt, dass die Auskünfte ein positives Signal für die Tierwürde darstellen, wird enttäuscht sein.
Für die Labormäuse im IfADo ist es ganz besonders enttäuschend zu hören, dass sich das Ministerium als Zuwendungsgeber* dieser Einrichtung offenbart (Quelle: Schreiben MKW vom 29.11.2024*).

 

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